Best Practice Lounge – Fünf Experience-Management-Methoden zur Beschleunigung der digitalen Transformation

Lesezeit: 6 Minuten

Juliana Holterhaus, Senior XM Consultant – Digital Customer Experience bei Qualtrics

Die Pandemie stellt Unternehmen auf der ganzen Welt vor ungeahnte Herausforderungen. Ihre Reaktionen haben eines gemeinsam: Alle setzen vermehrt auf digitale Technologien.

Angesichts der veränderten Bedingungen müssen nahezu alle Organisationen, unabhängig von der Branche, ihre digitalen Kapazitäten hochfahren. Hier einige Beispiele:

  • Virtuelle Events: Mit seinem Digital Summit hat Adobe auf ein hundertprozentig digitales Konzept umgestellt – oder wie es das Unternehmen ausdrückt: „Die Digital-Experience-Konferenz wurde digitalisiert“. Auch Google wandelte seine dreitägige, kostenpflichtige Konferenz in eine „globale, kostenlose und mehrtägige Digital-first-Veranstaltung“ um, auf der für Next ‘20 ausgearbeitete Inhalte präsentiert wurden. Aus Cloud Next ‘20 wurde somit “Digital Connect“.
  • Lebensmittel auf Bestellung: Um den Kontakt zu anderen Menschen auf ein Minimum zu beschränken, zogen es viele Bürger vor, ihre Einkäufe online zu erledigen. Neue und etablierte Anbieter bemühten sich deshalb, ihr Liefer- und Takeaway-Angebot zu erweitern, um einen Marktanteil zu ergattern. Hierbei spielt die Optimierung der digitalen Kanäle für ein gelungenes Einkaufserlebnis eine wichtige Rolle – vom Einstieg bis zum finalen Bezahlvorgang.
  • Telemedizin: Nach Auskunft von Gesundheitsbehörden und medizinischen Verbänden ist die Akzeptanz gegenüber telemedizinischen Leistungen und die entsprechende Nachfrage von Patienten, Ärzten und Therapeuten deutlich gestiegen.

Der starke Trend zu digitalen Angeboten ist kein vorübergehendes Phänomen. Schon vor der Pandemie bemühten sich die meisten Unternehmen, ihr vorhandenes Transformationspotenzial in allen Bereichen zu aktivieren – vom Lieferanten über den Mitarbeiter bis hin zum Kunden. Diese Entwicklung ist durch Corona lediglich beschleunigt worden. Doch eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Die digitale Experience wird in unserem Leben nach der Krise wichtiger sein als je zuvor.

Fünf Faktoren, die für den Erfolg von digitalem Experience Management entscheidend sind

Je stärker eine Organisation ihre digitale Transformation vorantreibt, desto mehr muss sie auch in ihre Experience-Management-Aktivitäten (XM) investieren. Warum? Weil der Erfolg jedes digitalen XM-Projekts davon abhängt, inwieweit es den Bedürfnissen der Zielgruppe gerecht wird. Nur darum geht es: Experience Management ist eine Disziplin, in der Unternehmen kontinuierlich dazulernen, ihre Erkenntnisse weitergeben und sich rasch anpassen. Sie erfahren, wie Menschen denken und fühlen, leiten diese Informationen zur richtigen Zeit in der passenden Form an die zuständigen Mitarbeiter weiter und handeln entsprechend der wachsenden Menge verwertbarer Insights.

Bei der Analyse der XM-Aktivitäten vieler verschiedener Firmen in den unterschiedlichsten digitalen Entwicklungsstadien kristallisierten sich Praktiken heraus, die eine digitale Transformation beschleunigen.

Im Folgenden finden Sie fünf Tipps und Beispiele, die Ihnen als XM-Profi dabei helfen, in puncto digitale Transformation in Ihrem Unternehmen Fahrt aufzunehmen:

1. Best Practice –> Feedback rund um die Uhr

Wer mit Kunden, Mitarbeitern und Partnern ins Gespräch kommen und differenzierte Rückmeldungen erhalten möchte, der muss stets eine digitale „Tür“ offen halten. Jeder sollte Gelegenheit haben, seine Meinung kundzutun – wie und wann es ihm passt. Der leichte Zugang zu Feedback-Optionen auf Websites, Apps, Chatbots, Intranets und Partner-Extranets liefert Ihnen Informationen, nach denen Sie vielleicht nie gezielt gefragt hätten.

Beispiel: Ein großes amerikanisches Rundfunkunternehmen platzierte auf jede seiner Webseiten einen Feedback-Button. Die Rückmeldungen, die auf diesem Weg eingingen, waren der Grund für eine vorübergehende Änderung der Kündigungsbestimmungen. Damit reagierte der Sender auf die Bedürfnisse und Sorgen seiner Kunden.

2. Best Practice –> Behavioral Targeting

In der Regel werden bei allen Nutzern die gleichen Meldungen und Feedback-Aufforderungen angezeigt. Das mag früher, als es nur wenige verwertbare Informationen gab, sinnvoll gewesen sein. Heute aber liefert die digitale Welt eine immense Menge interessanter Kontextdaten zur „digitalen Reise“ von Kunden, Mitarbeitern oder Partnern. Aus ihnen lassen sich sehr viel häufiger konkrete Maßnahmen ableiten. Ermitteln Sie deshalb, was Sie an wichtigen Punkten dieses Prozesses von den verschiedenen Gruppen erfahren möchten. Denn verhaltensbasiertes Feedback-Aufforderungen sind unter Umständen viel relevanter für Website- oder App-Nutzer und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich äußern.

Beispiel: Ein internationales Modeunternehmen stellte fest, dass viele Kunden den Kaufprozess an einem bestimmten Punkt abbrachen. Um den Grund zu erfahren, blendete es gleich nach dem Abbruch eine verhaltensbasierte Feedback-Aufforderung ein. Es zeigte sich, dass ein Bug im CAPTCHA-Code, der während des Prozesses eingegeben werden musste, dafür verantwortlich war. Mit einer sehr kurzen, verhaltensbasierten Befragung konnte also der Übeltäter – ein technischer Fehler – dingfest gemacht werden. Als die Ursache feststand, wurde das Problem innerhalb weniger Minuten behoben. Das rettete dem Modehändler Umsätze in Millionenhöhe.

3. Best Practice –> Automatisierte Intelligenz

Insights haben heutzutage eine kurze Halbwertszeit. Arbeiten Sie deshalb mit einem System, das flexibel und datenbasiert auf die aktuelle Marktdynamik reagiert. Analysen sollten angesichts der Flut der erzeugten digitalen Daten automatisiert werden und eine prädiktive Funktion haben. Gleichzeitig sollten sie Hinweise darauf liefern, welche Maßnahmen- und Ressourcenbereiche Priorität haben. Nutzen Sie die Kundeninformationen aus digitalen Kanälen, um Produktinnovation und Experience-Optimierung voranzutreiben, und handeln Sie schnell: Stellen Sie sicher, dass Ihre Mitarbeiter fast zeitgleich Zugang zu Ihren Erkenntnissen haben.

Best Practise – Beispiel: Die Warenkorb-Abbruchrate eines US-amerikanisches Telekommunikationsunternehmens betrug bei neuen wie bei langjährigen Kunden stattliche 58 Prozent. Der dadurch entgangene Umsatz wurde auf 33 Millionen Dollar geschätzt. Als Gegenmaßnahme setzte das Unternehmen ein digitales CX-Programm auf. Dieses ermöglichte die Identifizierung der zehn wichtigsten operativen und Experience-bezogenen Variablen, mit denen sich potenzielle Warenkorbabbrüche fast zu hundert Prozent voraussagen ließen. Auf diese Weise konnten Kunden mit einem hohem Absprungrisiko in Echtzeit ermittelt und zum Abschluss ermutigt werden. Durch gezielte, sofortige Interventionen und Optimierungen senkte das Unternehmen seine Abbruchrate von 58 Prozent auf 36 Prozent – was sich mit einer Umsatzsteigerung von geschätzten sieben Millionen Dollar bemerkbar machte.

Juliana Holterhaus für now.digital by patrick upmann
©Juliana Holterhaus

4. Best Practice –> Integriertes System of Action

Daten ohne Insights haben keine Aussagekraft, und diese Erkenntnisse haben keinen Sinn, wenn keine Taten folgen. Schaffen Sie deshalb ein Handlungssystem, das Ihren Mitarbeitern die Informationen für sofortige, sinnvolle Maßnahmen an die Hand gibt. Beschränken Sie sich nicht darauf, die Ergebnisse digitaler CX-Aktivitäten zu tracken, wie das in vielen Unternehmen der Fall ist. Erfolgreicher sind Sie, wenn Sie ihre digitalen Insights mit speziellen Workflows verbinden, um die gesammelten Erkenntnisse in die Realität umzusetzen.

Beispiel: Ein großes Einzelhandelsunternehmen in den USA stellte fest, dass die Kunden oftmals Schwierigkeiten hatten, in dem riesigen Sortiment bestimmte Artikel zu finden. Deshalb stellte es ihnen die Möglichkeit zur Verfügung, schon beim Absuchen der Ladenregale Feedback über eine In-store-App abzugeben. Bei bestimmten negativen Rückmeldungen oder speziellen Schlüsselwörtern bekam ein Mitarbeiter vor Ort automatisch eine Warnmeldung via Slack und konnte dem Kunden gleich Beistand leisten.

5. Best Practice –> Journey-zentrierte Analyse

Heute nehmen die Verbraucher über viele verschiedene Kanäle Kontakt zu ihren Anbietern auf (Stichwort: Omnichannel-Experience). Das erfordert eine einheitliche Sicht auf den Kunden, die über einzelne Touchpoints hinausgeht. Um unter diesen Umständen Erfolg zu haben, benötigen Sie ein zentrales System, das die gesammelten operativen Daten und Experience-Daten über alle Touchpoints hinweg miteinander kombiniert und verwaltet. Nur so lassen sich differenzierte Kundenprofile erstellen, die Insights zur gesamten Customer Journey liefern. Diese Daten helfen Ihnen, die Momente zu ermitteln, die für den Kunden entscheidend sind. Sie unterstützen Sie dabei, Ihre Maßnahmen zur Experience-Optimierung anhand von Schlüsselkennzahlen wie Wiederholungskäufe und Abwanderungsraten zu priorisieren.

Beispiel: Ein britisches Einzelhandelsunternehmen hatte viele Warenkorbabbrüche und unvollständige Bestellvorgänge zu verzeichnen. Es hatte Probleme innerhalb der App, im Kundenservice und bei den Kundenanfragen. Wie meist im Online-Einzelhandel wechselten die Kunden während ihrer Customer Journey regelmäßig zwischen verschiedenen Geräten hin und her. Mithilfe kurzer Befragungen über Desktop- und mobile Endgeräte konnte das Unternehmen die Ursachen klären und ein reibungsloseres Online-Erlebnis umsetzen. Während sich das Online-Team auf die Optimierung der User Experience konzentrierte, lieferte das gesammelte Feedback weitere Hinweise auf potenzielle Verbesserungen bei Produkten und Services. Indem der Händler operative Daten mit Experience-Daten verknüpfte, konnte er detaillierte Kundenprofile erstellen, die Customer Journey tracken und differenziertere Umfragen durchführen.

Einige Gedanken zum Abschluss

Ein altes Sprichwort besagt: „Not macht erfinderisch.“ Vor dem Hintergrund von COVID-19 müsste es allerdings heißen: „Not macht den Wandel“ – im Sinne des digitalen Wandels.

Wir reden seit Jahren über die digitale Transformation. Jetzt sind die Vorteile eines „Digital-first“-Unternehmens offensichtlich: Die Nachfrage nach digitalen Lösungen entwickelte sich sehr viel schneller als erwartet, und das in einem extrem kurzen Zeitraum. Leider verstanden viele Unternehmen unter digitalem Wandel bislang lediglich die Modernisierung ihres IT-Stacks oder die Entwicklung einer mobilen App. Diese Schritte sind zwar notwendig, doch es geht um mehr: Es geht darum, einen Mehrwert für die Kunden zu schaffen und ein stärkeres Umsatzwachstum zu generieren.

Insbesondere in unsicheren Zeiten sollten Sie den Kunden dort abholen, wo er ist und wo er sein möchte. Denn auf einem turbulenten Markt mit intensivem Wettbewerb bleibt die Experience auch weiterhin eines der bleibenden, langfristigen Differenzierungsmerkmale. Halten Sie sich deshalb an die beschriebenen fünf XM-Praktiken, um die digitale Transformation zu ermöglichen und zu beschleunigen.

Über die Autoren Juliana Holterhaus, Senior XM Consultant – Digital Customer Experience bei Qualtrics

Juliana Holterhaus gehört seit Januar 2016 dem XM Scientist Team bei Qualtrics an. Sie blickt auf langjährige Erfahrungen im Bereich digitale Strategien und in der Marktforschung für digitale Experience zurück. Neben ihrer Tätigkeit für Qualtrics ist Juliana Holterhaus Mitglied des Board of Directors am Marketing Research International Institute (MRII), in das sie für einen Zeitraum von zwei Jahren gewählt wurde. Vor ihrem Wechsel zu Qualtrics hatte Juliana Holterhaus die Position des Head of Strategic Alliances bei YouEye inne, wo sie sich der Quantifizierung videobasierter „Voice of the Customer“-Daten widmete. Darüber hinaus arbeitete sie als General Manager der globalen Marktforschungsabteilung von Lumi fünf Jahre lang im Bereich Mobile Technologien. Juliana Holterhaus absolvierte ein Bachelor-Studium am Amherst College, das sie mit Auszeichnung abschloss, sowie ein Master-Studium an der Columbia University. Hier promovierte sie auch in Psychologie und Decision Sciences.

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